Toten Tanz, KasselDie Vorstellung, dass der Tod die Menschen im Augenblick ihres Sterbens zum Tanzen zwingt, entstammt aus der Glaubenswelt des europäischen Mittelalters. Im 15. Und 16. Jahrhundert tragen besonders die Friedhofsmauern von Dominikaner- und Zisterzienserklöstern oft großformatige Wandgemälde, auf denen Menschen jeden Standes, Alters und Geschlechts vom Tod zum Tanz abgeholt werden. In den Bildern manifestiert sich die Angst der Menschen, unvorbereitet vom Tod ereilt zu werden und ohne Sühne den Weg ins Jenseits antreten zu müssen.

Der Dresdner Totentanz zählt Zum größten und bedeutendsten Totentanzdarstellungen in Deutschland. Zugleich ist das 1534 für das Dresdner Schloss entstandene über 12 m lange Sandsteinrelief eine der wenigen Darstellungen dieses Themas in der Plastik. Kaiser Karl V. ist als Totentänzer darauf zu sehen, der sächsische Herzog Georg als Auftraggeber des Reliefs, eine Äbtissin, ein Kind und natürlich der Tod. Dreimal tanzt er, ausgerüstet mit Schalmei, Trommel und Sense, den Menschen voraus.

Der Auftraggeber, Herzog Georg der Bärtige, stand in regem brieflichen Kontakt zu Erasmus von Rotterdam, und es ist zu vermuten, dass Erasmus auf das Bildprogramm und insbesondere auf das Totentanzmotiv einen entscheidenden Einfluss ausübte.

Das Besondere neben der plastischen Darstellung ist die seltene Darstellung als Gruppentotentanz, bei dem nicht die Toten mit den Sterbenden im paarweisen Dialog auftreten, sondern die Standesvertreter im langen Reigen dem voranschreitenden Tod folgen. Neuere Forschungen zeigen, dass die Art der Darstellung eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema, insbesondere die Kenntnis eines sehr frühen lateinischen Totentanzmonolog-Tetxtes voraussetzt.

Toten Tanz, BerlinIn Basel, wo Erasmus lebte, war durch die Existenz von zwei großen Totentanzgemälden die Gedankenwelt des Totentanzes so populär wie kaum in einer anderen Stadt. Aus Basel stammt auch ein sogenanntes Blockbuch mit Sprüchen und Holzschnitten eines Totentanzes. Hier entstanden 1525 auch die berühmten Totentanzblätter von Hans Holbein d. J., der im übrigen intensive persönliche Beziehungen zu Erasmus pflegte. Es liegt auf der Hand, dass sich Erasmus mit dem Totentanzthema auseinandergesetzt hat und in seiner bekannten Gründlichkeit geisteswissenschaftlicher Studien auch auf frühe lateinische Totentanztexte gestoßen ist.

So könnte die intensive Beziehung von Herzog Georg und Erasmus von Rotterdam bei der Entstehung des Dresdner Totentanzes mutmaßlich eine wesentliche Rolle gespielt haben.

Eigenartigerweise ist dieser großartige Totentanz im Bewusstsein der Bürger und Besucher Dresdens trotz seines kunstgeschichtlichen Ranges nicht mehr bzw. wenig präsent und fristet ein Schattendasein.

Es ist paradox: in Basel existiert keiner der monumentalen Totentänze mehr - ist aber in der Stadt geistig verankert - in Dresden dagegen gibt es noch einen hochbedeutenden Totentanz, aber fast kein Mensch kennt ihn...

Mit dem Projekt "Dresdner Totentanz" möchten wir dieses Kunstwerk, dass so eindrücklich die Unausweichlichkeit dieses Themas vor Augen führt, auf neue Weise erlebbar machen. So soll der Dresdner Totentanz in eine 1998 entstandene Ausstellung einbezogen werden, die bereits in zahlreichen Kirchen in der Schweiz mit großem Zuspruch gezeigt wurde.

In der Ausstellung sind Berichte von heutigen Menschen über ihre Nahtod-Erlebnisse Abschnitten des Berner Totentanzes - der wie der Dresdner Totentanz aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts stammt - gegenübergestellt. Die positiven Schilderungen des Jenseits kontrastieren die mittelalterlichen Todesvorstellungen. Diese Gegenüberstellung von früherer Vorstellung und heutigem Erleben regt zu einer packenden Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben an.

Diese Präsentation soll in der Dresdner Dreikönigskirche, wo sich seit 1990 der Dresdner Totentanz befindet, im September 2001 durch ein Konzert-, Theater- und Tanzprogramm ergänzt werden. Die Aktualität und die Zeitlosigkeit dieses Themas erhält dadurch eine weitere Vertiefung.

Zudem sind Vorträge sowohl zur historischen als auch kunstgeschichtlichen Bedeutung des Dresdener Totentanzes vorgesehen.


Toten Tanz, Luebeck

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Dresdner Totentanz

Schirmherr: der Schweizerische Generalkonsul Hans Dürig

Ein Projekt von Thomas Friedlaender und Markus Winzeler

in Zusammenarbeit mit dem Haus der Kirche und dem

Kunstdienst der Ev.-Lutherischen Landeskirche Sachsens

"Tanzend ins Jenseits"

Eine Ausstellung von Expositio GmbH Zürich, Büro für Planung und Realisierung im Ausstellungsbereich

Dreikönigskirche zu Dresden im September 2001