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Das Tagebuch des Wucherers. 2. Geschichte

06. 10. 2009, 21:53 | by DEREVO
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Jagdhunde

Laut Drehbuch preschen die Hunde in die Trauerfeier herein, fallen über das Grab her, kommen danach zu mir, streichen mir um die Beine, schnüffeln an mir herum und kläffen mich an.

Ich will es gleich vorwegnehmen, es ist ohne mich abgegangen …

7.15 früh

Einstellung. Der Sarg steht auf zwei Brettern über einem ziemlich tiefen Grab. Der Geistliche wirft eine Handvoll Erde hinein, in diesem Moment sollen die Hunde heranstürmen. Der Sarg ist mit Wurst und allen möglichen Leckereien eingerieben.

— Ready! Standby! Playback!
— Speed!
— Sound!
— Speed!
— Camera!
— Rolling!
— Оn board!
— Аnd aсtion!

Acht wutschnaubende Jagdhunde stürmen heran, stürzen kläffend auf eine Ecke zu und knurren ein Erdloch an.

— Stopp!!

Der Dresseur schimpft mit den Hunden und macht ihnen vor, wie man einen Sarg beschnüffelt… Die Hunde schauen sich nach dem Loch um.

— Klappe, die Zweite!
— Kamera läuft!

Die Hunde kommen angeprescht, und nichts wie zu dem Loch …

Sokurow trifft sofort eine Entscheidung.

— In dem Loch ist jemand drin. Auf geht’s, wir müssen ein neues Grab schaufeln. Genau hier!

Für die zwölf Männer von der Kulisse kein Problem. Einmal kräftig in die Hände gespuckt, und fertig.

8.50

Das neue Grab ist ausgehoben, das alte zugeschaufelt, die Beleuchtung neu aufgestellt, die Grabsteine umgesetzt.

— Kamera! Aсtion!

Die Hunde kommen angeprescht und bleiben verunsichert stehen… Das Loch ist weg.

— Stopp!

Kurze Beratung. Gegen ein angemessenes Entgelt wird unten im Dorf eine Katze in einem Vogelbauer entliehen. Der Dresseur rennt im Kreis herum und macht die Hunde mit der Katze heiß. Die Hunde werden fuchsteufelswild, die Katze kreischt wie von Sinnen. Sokurow hat einen genialen Einfall. Die Katze wird in den Sarg gesteckt, der Sarg wird vernagelt.

— Kamera!! Action!

Die Hunde kommen angerannt und laufen dumm herum, weil sie entweder das Erdloch suchen oder die Katze.

Von den Hammerschlägen auf den Sargdeckel ist die Katze vermutlich in Ohnmacht gefallen und sagt keinen Mucks mehr.

— Stopp!!!!!

11.30

Die Sonne zeigt sich. Der berühmte Kameramann Bruno sagt vernehmlich «Fuck!!». Alle stimmen ihm zu. Beratung.

Fleisch wird ins Grab geworfen…

Die Hunde kommen angerannt und streichen um Margarethes Beine. Sie quiekt und fleht unter Tränen, man möge die Katze aus dem Sarg holen.

In den Sarg werden Löcher gebohrt, damit die Katze nicht erstickt. Sokurow bittet darauf zu achten, dass die Katze nicht angebohrt wird. «So dumm ist sie nicht, sie wird sich schon winden», meint ein Techniker. Die Katzenbesitzerin redet laut auf den Sarg ein, um das Tier zu beruhigen.

— Take five!! — Kamera…!! Action!! Stopp!!

Die Hunde haben ein Schaf in einem Gatter entdeckt und sind zu spät ins Bild gekommen…

Beratung…

Der Dresseur pfeift und klettert ins Grab.

Die Katze wird herausgelassen. Sie kreischt, die Bestitzerin steht wie ein Standbild da, die Katze hoch erhoben. Die Hunde springen um sie herum…

Der berühmte Kameramann Bruno ruft – «Sun!!!»

Unaufhaltsam drängt die Sonne hervor. Margarethe wird von den Maskenbildnern gepudert. Sie strahlt vor Glück wegen der Katze.

Sokurow:

— Margarethe! Mach ein ernstes Gesicht! In dem Sarg liegt dein Bruder. Allgemeiner Weinkrampf…
— Kamera!!

Der Dresseur pfeift!

Die Hunde kommen angewetzt und fallen in wilder Hast einer nach dem anderen ins Grab…

Stopp!! Im Kasten!!

Stille und Pause.

Sokurow:

— Wunderbar, phantastisch, im Kasten, das gibt’s nicht, danke, danke, danke!


Text: Anton Adassinskij
Übersetzung: Rainer Jäckel


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Das Tagebuch des Wucherers. 1. Geschichte

20. 09. 2009, 21:17 | by DEREVO
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Mir als einem der Hauptdarsteller steht eine Menge Annehmlichkeiten zu. Darunter auch ein Wagen. Ich habe darauf verzichtet und komme zu den Aufnahmen mit dem eigenen. Das Schloss, auf dem gedreht wird, ist weit weg vom Hotel; ungefähr 30 Minuten zu fahren über krumme tschechische Straßen.

Am zehnten Tag fingen mir von der komplizierten Maske oder von noch etwas anderem die Augen stark zu tränen an.

Und abends auf der Fahrt wurde mit klar, dass ich erblinde.

Nacht, abgelegene Dörfer, und ich kann keine zehn Meter weit sehen. Irgendwie habe ich das Hotel erreicht.

Am nächsten Tag gab es viele Massenszenen — Pferde, Ratten, Hunde und neunzig Soldaten … Viel Staub.

Auf dem Nachhauseweg konnte ich plötzlich gar nichts mehr sehen. Ich bekam es mit der Angst. Ich wurde angehupt und überholt. In der Nacht habe ich den Regieassistenten angerufen. Alle sind gekommen, auch zwei Notarztwagen.

Vollständiger Sehtest mit Tabellen, im Halbdunkel und mit Lampenlicht von vorn. Alles bestens.

Alle fuhren glücklich wieder weg.

Tags darauf hatte ich frei und früh an der Abfahrt nach Dresden stellte ich fest, dass an meinem Auto beide Scheinwerfer durchgebrannt waren. Der Grund meiner «Blindheit» war mir nun klar. Mein lautes Lachen erfreute die Bedienung und die Vögel.

Ich rief das Aufnahmeteam an und gab Bescheid, dass mit meinen Augen alles in Ordnung ist.

Anton

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